DLV-Team: Bekanntlich stinkt nicht nur der Fisch zuerst vom Kopf
- Details
- Geschrieben von Axel Hermanns
Kolumne
Moment mal
(Krefeld/Peking, 25. August 2015) Alles wie gehabt. Es sind die üblichen Verdächtigen, die es (zer-)reißen müssen. Diesmal indes keine Trikots. Der Harting, Vorname Robert, fehlt leider. Als Erfolgsgarant und charismatische (Reiz-)Figur wird er von einer breiten, interessierten Öffentlichkeit schmerzlich vermisst. Gleichwohl war auf die Fraktion Stoß/Wurf bislang bei den Weltmeisterschaften im Pekinger Nationalstadion mit einem kompletten Medaillensatz absolut Verlass. Just heute auf die gesamte den Diskus werfende Troika Nadine Müller (65,53m), Julia Fischer (63,88m) und Shanice Craft (63,10m) auf den Plätzen drei, fünf und sieben. Chapeau! Bereits gestern schafften die Speerwerfer Andreas Hofmann (1. der Qualifikation mit 86,14m/ PBL), Thomas Röhler (7. mit 83,23m) und Johannes Vetter (12. mit 80,86m) ebenfalls zu Dritt den Einzug ins morgige Finale (13.05 Uhr MESZ).Und sonst? Wo sind die deutschen Athleten/Innen, die über sich hinauswachsen, eine persönliche oder wenigstens saisonale Bestleistung in der Stunde der Wahrheit abliefern? Das darf und muss der eigene, nicht fremdbestimmte Anspruch sein. Doch bis dato völlige Fehlanzeige. Geradezu bedenklich, wenn Sprinter Julian Reus heute nach dem Ausscheiden im 200-Meter-Vorlauf (20,51 sec.) jenseits der ohnehin noch verbesserungsbedürftigen Saisonbestleistung (20,42/PBL 20,36) beim Interview in der ARD im einzigen von ihm dargebotenen Schnellschuss große Zufriedenheit zur Schau trägt. Darüber sollte er noch mal nachdenken.
Das ist auch bei den ausgewiesenen, berufsmäßigen Ratgebern gefragt, die da Heim- und Bundestrainer heißen. Da muss einiges gehörig bei der Wettkampfperiodisierung schief gelaufen sein. Kein neues Phänomen übrigens. Schon eher ein Phantom, das sich bei allzu vielen Aktiven lähmend ausbreitet, wenn es darauf ankommt. Allein im Erfinden von Ausreden sind die Übungsleiter und ihre Schutzbefohlenen ungekrönte Weltmeister. Da gehört(e) so einiges auf den Prüfstand. Einschließlich der Führungsspitze. Denn bekanntlich stinkt nicht nur der Fisch zuerst vom Kopf.
Verstanden? Sollte nicht so schwer sein!
Was entscheidet eigentlich bei Zeitgleichheit über ein Weiterkommen?
- Details
- Geschrieben von Axel Hermanns
(Krefeld/Peking, 25. August 2015) Wer seit Jahren über die ehedem olympische Kernsportart Leichtathletik einem Millionenpublikum an den Bildschirmen berichtet, der sollte schon ein paar elementare Regeln drauf haben. Der von mir durchaus geschätzte Sigi Heinrich vom Spartensender EUROSPORT trug mit seinem Geeiere bei mehrfacher Zeitgleichheit bei den 100-m-Sprints zur allgemeinen Verunsicherung bei. Auch der eigenen. Bei Rebekka Haase (LV Erzgebirge) war er sich noch sicher, dass das Überhangmandat bei drei zeitgleichen, nicht direkt qualifizierten Sprinterinnen (alle 11,29) aufgrund der schlechteren Platzierung zu Lasten von Krause für ein Weiterkommen in eines der drei Halbfinals (ein Anachronismus, müsste eigentlich Drittelfinale heißen) gegangen sei.
Die gleiche Situation gab es bei den Männern eine Etage höher für den Einzug in den Endlauf. Direkt qualifizierten sich die jeweils zwei Erstplatzierten der drei „Halbfinals" und weitere zwei Zeitschnellste. Da gab es jedoch derer Drei mit je 9,99 Sekunden. Aus dem ersten Vorschlussrennen Trayvon Bromell (USA) als Dritten und Bingtian Su (China) als Viertplatzierten sowie aus dem dritten Jimmy Vicaut aus Frankreich als Drittplatzierten. „Wat nu?“, meinte Heinrich sinngemäß, machte sich Ratlosigkeit bei ihm breit. Dabei hätte es nach seiner vorherigen Schlussfolgerung bei den Frauen doch klar sein müssen, dass der Chinamann eigentlich zum Zuschauen verurteilt sein müsste. Als dann auch bei ihm in der Ergebnisliste das kleine „q“ auftauchte, lobte der gute Sigi es als „kluge, weise Entscheidung“, die vorhandene neunte Sprintgerade zu nutzen.Derweil argwöhnte ich eine „lex spezialis“ mit einer Regelbeugung (acht Finalisten sind nun mal keine neun) als Verbeugung vor dem Gastgeberland. Zugegebenermaßen tappte ich genauso im Dunkeln wie der wortgewandte Bajuware am Mikrofon des Fernsehsenders. Deshalb vergewisserte ich mich telefonisch bei Regelexperte Dieter Tisch (Ludwigshafen), zugleich Vizepräsident des Leichtathletik-Verbandes Pfalz. Dieter wusste natürlich Rat. Bei Zeitgleichheit spielt die Platzierung für ein Weiterkommen überhaupt keine Rolle. Darüber entscheiden allein die mit gemessenen, aber nicht mehr öffentlich angezeigten Tausendstelsekunden. Die müssen bei Su und Vicaut ebenfalls identisch gewesen sein. Glücklicherweise hatten sie in ihren unterschiedlichen Läufen auch den gleichen Gegenwind von 0,4m/sec., was allerdings keine Berücksichtigung finden würde. In einem solchen Fall wird schlicht und ergreifend gelost. Also eine Art Glücksspiel. Da aber eben im "Vogelnest" zu Peking eine neunte Bahn vorhanden ist, ließen die Verantwortlichen Gnade vor Recht ergehen.
Insofern war es tatsächlich eine weise Entscheidung.
"Silberling" David Storl kam nochmal mit einem zartblauen Auge davon
- Details
- Geschrieben von Axel Hermanns
(Krefeld/Peking, 23. August 2015) Schlussendlich lief es vom Klassement auf den zuvor erwarteten Zweikampf zwischen Titelverteidiger David Storl (21,74/PBL 22,20m) und dem diesjährigen Branchenprimus Joe Kovacs (21,93/WJBL 22,56m) aus den USA hinaus. Doch auf dem Weg dahin wurde die scheinbar fest zementierte Hierarchie im Kugelstoßen anno 2015 mit mehreren Führungswechseln mächtig durcheinander gewirbelt, waren beide vorübergehend außerhalb der Medaillenränge. Dass die Rangordnung zwischenzeitlich ausgehebelt wurde, dafür sorgten einmal mehr die unberechenbaren Drehstoß-Techniker, die klar die 9:2-Majorität im Feld der elf Finalteilnehmer (Christian Cantwell aus den USA trat nicht an) hatten. O’Dayne Richards (Jamaika) katapultierte sich im dritten Durchgang mit 21,69m an die Spitze, übernahm die Führung von Storl, die er nach einem weiten, aber nicht gestandenen Auftakt von etwa 21,80m im zweiten Versuch (21,46m) von Kovacs (21,23m) übernommen hatte. Der Neuseeländer Tomas Walsh schob sich in Runde vier mit neuem Ozeanienrekord von 21,58 m (zuvor 21,50 m in Mutterstadt) zunächst an die zweite Stelle, ehe Kovacs ihn mit 21,67m davon verdrängte. Nach der morgendlichen Qualifikation sahen Richards (20,55m) und Walsh (20,49m) nicht gerade wie künftige Medaillenkandidaten aus, wobei der Jamaikaner sogar letztlich mit Bronze belohnt wurde. Denn im fünften Durchgang landeten die erklärten Favoriten ihre Befreiungsschläge. Der US-Boy legte 21,93 m vor, Storl direkt darauf 21,74m nach. Der letzte Versuch war nur noch für die Statistik, sah aber mit 21,66 zu 21,28m erneut den Amerikaner vorn.
Wer aus dem Rathaus kommt, ist (fast) immer schlauer. Und alles Nachkarten taugt eh nur zur Stammtischdebatte. Doch zumindest darf gemutmaßt werden, dass dem Doppel-Weltmeister aus Sachsen der misslungene Auftakt die Gold-Tour für ein lockeres Reinfinden in den Wettkampf, dazu eine ordentliche Duftmarke für die Konkurrenz, vermasselt hat. Sofern eine solche Bewertung bei 21,74m und dem Gewinn der Silbermedaille überhaupt geboten erscheint. Allerdings räumte der 25-Jährige selber ein, nie so hundertproentig in den Rhythmus gefunden zu haben. Wer ebenfalls, egal auf welchem Niveau in die „Bütt“ geht, kann eine solche Aussage gut nachvollziehen. Sehen wir es positiv: der "ewige Storli" ist nochmal mit einem zartblauen Auge davon gekommen, hat die langen Flügel bis zuletzt nicht hängen lassen. Freilich ist die Serie dahin, dem Schweizer Werner Günthör mit drei WM-Titeln hintereinander nachzueifern. Jung genug wäre er, einen neuerlichen Anlauf zu nehmen.
Ein neuer, großartiger Melderekord bei der DM im Wurf-Fünfkampf
- Details
- Geschrieben von Axel Hermanns
(Krefeld/Zella-Mehlis/Peking, 24. August 2015) Augenscheinlich befindet sich die gesamte, über 40-köpfige DLV-Geschäftsstelle auf Betriebsausflug bei der WM in Peking. Es hat zwischen Meldeschluss (11.08.) und Veröffentlichung (22.08.) geschlagene elf Tage bis zur Online-Stellung der Meldeliste für die 13. Deutschen Seniorenmeisterschaften im Wurf-Fünfkampf am kommenden Wochenende in Zella-Mehlis (Thüringen) gedauert. Und das in einem wilden Durcheinander von W35 über M40 bis 75, M35, M85, W80, W40 bis 75 und M80. Ganz toll, Glückwunsch an den Programmierer! Ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftig die Kombination mit den Titelkämpfen in den Langstaffeln. Das passt ungefähr so zusammen wie Karnevalslieder an Weihnachten oder umgekehrt. Und einmal mehr gilt für die von Anglizismen unterwanderte „German Athletics Association“: deutsche Sprak, schwere Sprak. Die Überschrift in den jeweiligen Listen nach Altersklassen lautet erneut Werfer-Fünfkampf. Als Fachorgan für Stoß und Wurf werden wir nicht müde darauf hinzuweisen, dass nicht mit Werfern sondern Geräten agiert wird, der Wettbewerb also Wurf-Fünfkampf heißt. Aber es dürfen getrost Wetten darauf abgeschlossen werden, dass es bei nächster Gelegenheit genauso falsch sein wird.
Großartig und vorzeigbar ist jedoch das Meldeergebnis, wofür wiederum der DLV nix kann. 229 Startwillige, 155 Männer, 74 Frauen, bewerben sich in 21 Klassen von M35 bis 85 sowie W35 bis 80 um Titel und Medaillen. Das ist mit Abstand neuer Melderekord. Bislang waren es meist um die 170. Versteht sich, dass sich viele namhafte Athleten/innen der Werferszene darunter befinden. Darauf werden wir im Laufe der Woche noch in einer eigenen Vorschau eingehen.
Noch ein kleiner Schlenker nach Peking. Mit Julia Fischer, Nadine Müller und Shanice Craft erreichten heute in der Früh alle drei deutschen Diskuswerferinnen das morgige Finale (13 Uhr MESZ). Dagegen erlebte "Heulsuse" Silke Spiegelburg als "ewige Vierte" auf internationalem Parkett ihr tränenreiches Waterloo diesmal schon in der Qualifikation des Stabhochsprungs.
David Storl abgebrüht, derweil Mit-Favorit Kovacs zunächst schwächelte
- Details
- Geschrieben von Axel Hermanns
(Krefeld/Peking, 23. August 2015) Noch konnten sich heute Morgen (4.10 Uhr MESZ) die erklärten Anwärter auf Kugelstoß-Gold bei der WM in verschiedenen Gruppen der Qualifikation aus dem Wege gehen. Auf den unmittelbar nebeneinander liegenden Anlagen oder der großen Videoleinwand im „Vogelnest“ zu Peking werden sie sich gleichwohl irgendwie beäugt haben. Titelverteidiger David Storl sah einen Joe Kovacs (USA), der sich als Weltranglistenerster (22,56m) mit 20,28m erst einmal vergeblich an der für ihn eher läppischen Quali-Weite von 20,65m abmühte. Dann jedoch im zweiten Versuch mit 21,36m alles klar machte. Nur ein kleiner Schönheitsfehler oder zeigte der schwergewichtige US-Boy schon bei der Pflicht einen Anflug von Nervenflattern? Auflösung später im Finale heute ab 13.30 Uhr MESZ im Pantoffelkino bei der ARD oder EUROSPORT. Derweil sah Kovacs einen Storl, der sich dieser Aufgabe gleich zum Auftakt mit 21,26m eiskalt bei großer Hitze entledigte. Der 25-jährige Doppel-Weltmeister schonte damit sein Nervenkostüm und Energie für den Machtkampf im Ring der momentan beiden Branchenführer beim schmutzigen Geschäft mit der Kugel. Schwerlich vorstellbar, dass da noch ein Dritter ernsthaft eingreifen kann.
Denn bis auf Routinier und Ex-Weltmeister Reese Hoffa (20,75m) aus den USA bissen sich alle anderen an jenen 20,65m vergeblich die Zähne aus. Es würde ohne die Auffüllung bis zum zwölften Platz, den der einst als neuer Wunderknabe gepriesene Jacko Gill (Neuseeland) entsprechend seinem Jahrgang 1994 mit bescheidenen 19,94m belegte, ein ziemlich einsames Finalfeld, das nur die Farbe der Medaillen auskegeln müsste. Aber es ist keine neue Offenbarung, eher ein solcher Eid, dass einem bei Großereignissen die Vorleistungen der Kolosse mitunter recht wundersam vorkommen müssen. Das sind indes zwei völlig verschiedene Paar Schuh ohne jeden Druck in einem von Hand verlesenen Teilnehmerkreis mit verbrieften sechs Versuchen antreten zu können oder zu früher Morgenstunde (10.10 Uhr Ortszeit) eben den Schlauch einer „Quali“ bei maximal drei Durchgängen vor der breiten Brust zu haben. Doch auch für die „Lucky Loser“ gilt der Spruch vom Roulettetisch: Neues Spiel, neues Glück! Allerdings wird zur abendlichen Ortszeit (20.05 Uhr) mehr als nur Dusel gefragt sein. Ganze vorne wird es sich auf die Frage Storl oder Kovacs reduzieren. Da lege ich mich fest. Was freilich nicht allzu kühn anmutet.