Julia Ritter kam mit 17,76m gestärkt aus der Zwangspause zurück
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- Geschrieben von Axel Hermanns
(Neustädt/Krefeld, 14. Juni 2020) Wenngleich sein dereinst hell strahlender Stern sich seit geraumer Zeit im Sinkflug befindet, ist der zweimalige Kugelstoß-Weltmeister David Storl (*1990) aus Leipzig normalerweise nicht zum Nulltarif zu haben. Die Corona-bedingte Zwangspause und der in Absprache mit Organisator Heiko Wendorf zum Auftakt einer Dreier-Serie daraus einen Kader-Wettkampf etablierende Bundestrainer Sven Lang machten es gestern beim 4.Neustädter Kugel-Cup in dem Thüringer 300-Seelen-Dorf möglich. Das – vorgefertigte – Banner auf der ambulanten Anlage am Angelheim „Weltklasse im Kugelstoßen“ war allerdings spätestens nach der verletzungsbedingten, kurzfristen Absage von 22,22-m-Drehstoßer Bob Bertemes aus Luxembourg Makulatur. Storl gehört jedenfalls nicht mehr oder, netter formuliert, noch nicht wieder dazu. Der 29-jährige Sachse stand in diesem schlussendlich rein deutschen Kräftemessen nicht mal im Mittelpunkt des Interesses, kommt auch in dem Beitrag auf der DLV-Netzseite lediglich buchstäblich als Randnotiz vor.
Fromme Lügen im Vorspann verbreitet
Dicker machte Freitag die „Thüringer Allgemeine“ in einem als Online- und Papierversion erschienenen Interview unter der beziehungsreichen, zunächst allerdings verwirrenden Überschrift „Wie ein guter Whysky“ mit dem David der ehedem ein Goliath war auf. Da wurden allerdings von Autor Dirk Pille (für seinen Namen kann er nix) bereits im Vorspann fromme Lügen verbreitet. Storl habe seit 2011 in jedem Jahr bei allen internationalen Höhenpunkten der Hallen- und Freiluftsaison eine Medaille gewonnen. Das wolle er auch mit dann 30 Jahren bei den auf 2021 verschobenen Olympischen Spielen in Tokio fortsetzen. Wie bitte? Diese Serie ist jedoch bei ihm als Siebter der Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro bereits abgerissen, ein Jahr später 2017 bei der WM in London kam er als Zehnter nicht mal ins Finale! Soweit zu den Falschmeldungen, die selbstverständlich nicht der hünenhafte nationale Jung-Senior der M30 zu verantworten hat, ihm bei der Lektüre dieser Etikettenschwindel jedoch vermutlich ausgesprochen sauer aufgestoßen sein dürfte.
„Dinosaurier des Kugelstoßens“ ungetrübt zuversichtlich
Doch sein Blick in die nähere Zukunft ist ungetrübt optimistisch. „Für einen Kugelstoßer kommt doch das beste Alter noch. Das ist wie bei einem guten Whysky“, lautete eine seiner Antworten. Hätten wir das mit der hochprozentigen Überschrift also auch geklärt. Seine grenzenlose Zuversicht zu teilen, ist indes eine völlig andere Sache. Die gestrige Tagesbestweite von 20,24m und vier Versuche unter 20m bis 19,51m abwärts geben dazu bei dem „Dinosaurier des Kugelstoßens“ (O-Ton Sportkommentator Mark Huster wegen der antiquierten Technik) wenig bis überhaupt keinen Anlass. Damit lag er im Schnitt gut über zwei Meter unter seiner absoluten Bestleistung von 22,20m. Also liegt er bei gerade 90 Prozent seines früheren Leistungsvermögens oder andersherum ausgedrückt zehn Prozent darunter. Das ist ein Menge Holz. Skeptiker, wozu ich mich frank und frei bekenne, befürchten, dass er seinen Zenit längst überschritten hat, die 22 Meter vorne für sich nicht mehr auf einer Anzeige zu sehen bekommt.
Auf Anhieb den "Hausrekord" um 14 Zentimeter verbessert
Dass jemand, in dem konkrete Falle eine, auch buchstäblich gestärkt aus einer unfreiwilligen Auszeit mit allerlei Einschränkungen zurückzukommen vermag, bewies auf höchst eindrucksvolle Weise Drehstoßerin Julia Ritter vom TV Wattenscheid. Der 22-jährige Schützling von Trainer Miroslaw „Miro“ Jasinski verbesserte nach langer Wettkampf-Abstinenz den „Hausrekord“ von 17,62 um 14 Zentimeter auf 17,76m. Bereits in der diesjährigen Hallensaison war sie mit 17,57m auf einem sehr guten Weg, den sie nunmehr auf Anhieb bestätigte. Respekt und sportliche Anerkennung!
„Kronprinz“ Steven Richter brillierte bei der U18 mit 21,08m
Auch Storls designierter nationaler „Kronprinz“ Steven Richter (*2003) vom LV 90 Erzgebirge stahl dem Ex-Weltmeister die Schau. Abermals. Der 17-Jährige drehte sich mit der 5-Kilo-Kugel der U18 nach den inoffiziösen vorwöchigen 21,62m vom Trainingswettkampf in Leipzig (Storl 20,45m) erstmals mit 21,08m über die international wertvolle 21-m-Marke. Was beweist, dass sich sein Heimtrainer Sven Lang im „zweiten Bildungsweg“ die Drehstoß-Technik draufgeschafft haben muss. Seinen einstigen Parade-Schützling darauf umzustellen war vor Jahren, aus welchen Gründen auch immer, schlussendlich gescheitert. Vermutlich aus Ungeduld des an sich begnadeten Bewegungstalents, das ginge von jetzt auf gleich.
NADA rückte mit fünf Personen an
Was es sonst noch gab? Da einigen Athleten/innen dem Doping-Kontrollpool angehören, rückte die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) aus Bonn mit Personen an. Dies Prozedere ließ sich natürlich nicht auf einem Dixi-Klo auf dem Platz regeln, fand im nahegelegenen Gemeinschaftshaus statt. Das auf Kommando Müssen-müssen verzögerte so manche Siegerehrung. Dabei gab es für alle Aktiven neben Urkunden und Medaillen für die drei Erstplatzierten eine Tragetasche mit Präsenten (übrigens auch für alle Trainer und Offiziellen). Darunter ein Glas mit gesponsertem Manuka-Honig. Der überhaupt edelste und teuerste Nektar auf diesem breitgefächerten Gebiet. Nicht allein deshalb fanden alle Beteiligten sehr lobende Worte über das Sport- und Familienfest im Wohlfühl-Ambiente, blieben die meisten noch einige Zeit nach Beendigung zum Fachsimpeln untereinander beisammen. Mehr Wertschätzung geht nicht! Ein Geburtstag, runder dazu, war auch noch zu feiern. Dominik Lewin (*1980) vom LV 90 Erzgebirge wurde Vierzig. Abschließend noch ein Hinweis auf eine Zusammenfassung des Meetings heute Abend ab 19 Uhr im MDR-Fernsehen. – Alle Resultate unter diesem Link.