"Silberling" David Storl kam nochmal mit einem zartblauen Auge davon
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- Geschrieben von Axel Hermanns
(Krefeld/Peking, 23. August 2015) Schlussendlich lief es vom Klassement auf den zuvor erwarteten Zweikampf zwischen Titelverteidiger David Storl (21,74/PBL 22,20m) und dem diesjährigen Branchenprimus Joe Kovacs (21,93/WJBL 22,56m) aus den USA hinaus. Doch auf dem Weg dahin wurde die scheinbar fest zementierte Hierarchie im Kugelstoßen anno 2015 mit mehreren Führungswechseln mächtig durcheinander gewirbelt, waren beide vorübergehend außerhalb der Medaillenränge. Dass die Rangordnung zwischenzeitlich ausgehebelt wurde, dafür sorgten einmal mehr die unberechenbaren Drehstoß-Techniker, die klar die 9:2-Majorität im Feld der elf Finalteilnehmer (Christian Cantwell aus den USA trat nicht an) hatten. O’Dayne Richards (Jamaika) katapultierte sich im dritten Durchgang mit 21,69m an die Spitze, übernahm die Führung von Storl, die er nach einem weiten, aber nicht gestandenen Auftakt von etwa 21,80m im zweiten Versuch (21,46m) von Kovacs (21,23m) übernommen hatte. Der Neuseeländer Tomas Walsh schob sich in Runde vier mit neuem Ozeanienrekord von 21,58 m (zuvor 21,50 m in Mutterstadt) zunächst an die zweite Stelle, ehe Kovacs ihn mit 21,67m davon verdrängte. Nach der morgendlichen Qualifikation sahen Richards (20,55m) und Walsh (20,49m) nicht gerade wie künftige Medaillenkandidaten aus, wobei der Jamaikaner sogar letztlich mit Bronze belohnt wurde. Denn im fünften Durchgang landeten die erklärten Favoriten ihre Befreiungsschläge. Der US-Boy legte 21,93 m vor, Storl direkt darauf 21,74m nach. Der letzte Versuch war nur noch für die Statistik, sah aber mit 21,66 zu 21,28m erneut den Amerikaner vorn.
Wer aus dem Rathaus kommt, ist (fast) immer schlauer. Und alles Nachkarten taugt eh nur zur Stammtischdebatte. Doch zumindest darf gemutmaßt werden, dass dem Doppel-Weltmeister aus Sachsen der misslungene Auftakt die Gold-Tour für ein lockeres Reinfinden in den Wettkampf, dazu eine ordentliche Duftmarke für die Konkurrenz, vermasselt hat. Sofern eine solche Bewertung bei 21,74m und dem Gewinn der Silbermedaille überhaupt geboten erscheint. Allerdings räumte der 25-Jährige selber ein, nie so hundertproentig in den Rhythmus gefunden zu haben. Wer ebenfalls, egal auf welchem Niveau in die „Bütt“ geht, kann eine solche Aussage gut nachvollziehen. Sehen wir es positiv: der "ewige Storli" ist nochmal mit einem zartblauen Auge davon gekommen, hat die langen Flügel bis zuletzt nicht hängen lassen. Freilich ist die Serie dahin, dem Schweizer Werner Günthör mit drei WM-Titeln hintereinander nachzueifern. Jung genug wäre er, einen neuerlichen Anlauf zu nehmen.