Gelebte, initiierte Völkerverständigung während der WM in Polen
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- Geschrieben von Axel Hermanns
(Torun/Wien/Krefeld, 06. April 2023) Ohne ebenso unnötig wie glorifizierend an der Legendenbildung zu werkeln, ist es keineswegs dem Bereich von Märchen und Sagen entnommen, dass die große Werfer-Familie innerhalb der Senioren-Leichtathletik eine besondere Spezies darstellt. Einmal unterscheiden sie sich rein optisch vom zahlenmäßig größeren Rest vom Fest, sind überwiegend körperlich größer, muskulöser, stärker und ganz nebenbei aufgrund der Masse trinkfester. Also ausgesprochene Feierbiester, die sich gerne mal nach dem gemeinsamen Wettkampf, bei allem Ehrgeiz nicht spinnefeind mit den Sportkameraden, auf eine Gerstenkaltschale, vergorenen Traubensaft oder was auch immer zum Fachsimpeln zusammensetzen. Und vom Intellekt begegnen sie sich zu einem sehr hohen Prozentsatz jenseits von 80 vom Hundert auf Augenhöhe. Nach einer kleinen, seinerzeit auf LAMPIS veröffentlichten Studie vom über zwei Meter großen, ehedem kugelstoßenden Allgemeinmediziner Heiner Romberg (*1947) aus Essen mit 108 Teilnehmern sind jene erwähnte deutliche Mehrheit Akademiker, Freiberufler, Selbständige und leitende Angestellte in der freien Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst.
Werfer ticken sehr ähnlich, funken auf derselben Wellenlänge
Das wirkt sich zwangsläufig auf das sie verbindende, leidenschaftlich ausgeübte Hobby aus, ticken sie sehr ähnlich, funken zumeist auf derselben Wellenlänge und verstehen sich nach Zufallsbegegnungen oftmals auf Anhieb, als würden sie sich seit Jahren kennen. Da ich dieser Spezies mit zwei unfreiwilligen Unterbrechungen von je drei Jahren seit 1966 angehöre, könnte ich munter aus dem Nahkästchen plaudern, wie sich über den Sport hinaus regelrechte, lange andauernde Männerfreundschaften entwickelt haben. Es bedarf keiner prophetischen Gabe, dass unter den Lesern unzählige ähnliche Erfahrungen vorweisen können.
Initiator und Organisator Gottfried Gassenbauer überließ nichts "Kommissar Zufall"
Dieses rhetorische Vorspiel dient gewissermaßen der thematischen Einstimmung, nimmt den roten Faden der gestrigen Kolumne zur Völkerverbindung und Völkerverständigung bei internationalen Senioren-Meisterschaften auf. Allerding mit einem hell strahlenden Beispiel, es nicht dem „Kommissar Zufall“ zu überlassen. Der überaus kommunikative und erfolgreiche Hammerwerfer Gottfried „Gassi“ Gassenbauer (im Bild) aus Wien, in Österreich eine Art Volkstribun bei den Masters und bekannt wie ein „bunter Hund“, nutzte sein ausgeprägtes Organisationstalent als langjähriger Leitender Direktor des riesigen Sportcenters Donaucity (seit dem Vorjahr „Pensionist“) und gelernter Informatiker bereits im Vorfeld der Weltmeisterschaften im polnischen Torun. Der gesellige 64jährige „Menschenfänger und Gaudibursche“ zog seine mannigfaltigen Kontakte einbringend zuvor von Wien aus die Strippen mit persönlichen Einladungen (freilich jeweils auf eigene Kosten) zu einem Werfertreffen während der WM.
Stelldichein international bekannter Größen
Schauplatz war das Restaurant Vier Jahreszeiten in der Geburtsstadt von Astronom und Arzt Nikolaus Kopernikus mit einer Kapazität für maximal 40 Personen. Das Dinner bestand aus einem typisch polnischen Menü mit wahlweise zwei Suppen, vier Hauptspeisen (auf Wunsch auch vegetarisch) und Dessert.Und danach bei geselligem Zusammensein jede Menge Gedankenaustausch über Sport und querbeet was darüber hinaus momentan ansonsten noch so die verschiedenen Gemüter bewegt. Schlussendlich folgten mit 37 weiblichen und männlichen Werfern nahe am möglichen Maximum der „Einladung“. Darunter, um nur einige zu nennen, international allseits bekannte Größen wie Carol Finsrud, Angela Herzner (beide USA), Arild Busterud (Norwegen) und Tom O.Jensen (Dänemark). Schweren Herzens absagen musste der deutsche Vorzeige-Senior Andy Dittmar aus Gotha, der relativ kurz nach seinem überlegenen Titelgewinn im Kugelstoßen der M45 beruflich bedingt abreisen musste und folglich nicht mehr vor Ort gewesen ist.
Die Frage, dass die Werfer innerhalb der „Community“, wie es auf Neudeutsch heißt, ein besonderes, ausgesprochen geselliges Völkchen sind, dürfte sich nach diesem Meeting bei Speis, Trank und Plauderei erübrigen. Oder ist jemandem von Sprint, Lauf und Sprung Derartiges in dieser Größenordnung bekannt geworden? Schwer vorstellbar, behaupte ich mal schlankweg!