Beim Ratinger Mehrkampf-Meeting glänzte vor allem der Gold-Status
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- Geschrieben von Axel Hermanns
(Ratingen/Krefeld, 09. Mai 2022) Enttäuschend! Selbst wenn uns die Literaten sowie Verantwortlichen um DLV-Cheftrainerin Annett Stein und „Oberhirte" Cheick-Idriss Gonschinska & Co. aus dem Wolkenkuckucksheim des Dachverbandes in Darmstadt etwas anderes weismachen wollen – nur so kann das Fazit aus deutscher Sicht beim 25.Ratinger Mehrkampf-Meeting vom vergangenen Wochenende lauten. Da messen wir sie lediglich nach den eigenen verbrieften Worten in der allzu vollmundigen Vorankündigung auf ihrer Netzseite im leicht gekürzten O-Ton: „Hochklassige Leistungen sind in jedem Fall garantiert, denn sowohl Deutschlands Mehrkampf-Stars um Weltmeister Niklas Kaul und die Olympia-Siebte Carolin Schäfer als auch die weltweite Elite im Zehnkampf und Siebenkampf will in Ratingen die begehrten WM-Tickets für Eugene und die Startplätze für die Heim-EM in München klarmachen.“
"Aussteiger des Jahres" drückten dem Jubiläum ihren Stempel auf
Pustekuchen! Die Jubiläumsveranstaltung wird mit dem unrühmlichen Etikett der beiden „Aussteiger des Jahres“ Niklas Kaul und Kai Kazmirek (wir berichteten) in die Annalen eingehen. Schwach auch die seit Jahren – höflich formuliert – stagnierende Carolin Schäfer, die mit 6.170 Punkten sogar die EM-Norm (6.250) recht deutlich verfehlte und von ihrer Landsfrau Sophie Weißenburg (6.273) relativ klar geschlagen auf den zweiten Platz verwiesen worden ist. Orientiert an den Gesamtergebnissen im Zehn- und Siebenkampf dürfte Ratingen den gerade erst verliehenen Gold-Status der weltweit drei bedeutendsten Mehrkampf-Ereignisse neben Götzis (Österreich) und Talence (Frankreich) wieder verlieren. Bereits der/die jeweils Drittplatzierte dieses als Normen-Festival apostrophierten „Spektakels“ müsste sich in Götzis die Eintrittskarte für das Möslestadion kaufen und käme nicht ins illustre Teilnehmerfeld.
Eine famose Darbietung des Schweizers Simon Ehammer
Doch lassen wenigstens wir die Kirche im Dorf, war nach sehr später Veröffentlichung der Teilnehmerlisten am Donnerstagnachmittag auch kein sportliches Feuerwerk von Glanzleistungen am Fließband zu erwarten. Und: Obschon die vermeintlich Arrivierten nicht ablieferten, war nicht alles unterirdisch an den zwei Tagen im Ratinger Stadion. Der junge Schweizer Simon Ehammer (*2000) löste als einziger Zehnkämpfer mit 8.354 Punkten hauchdünn um vier Zähler das WM-Ticket. Dabei verbesserte der 22-jährige „Alpenvulkan“ mit famosen 8,30m den Meeting-Rekord (zugleich Landesrekord) im Weitsprung, steigerte seine persönliche Bestleistung (8.231) um 133 und den schon mit Patina belegten Schweizer Rekord von Beat Gähwiler (8.244) aus dem Jahre 1988 um 110 Punkte. Aus dem Holz sind die wahren „Könige der Athleten“ geschnitzt.
Nico Beckers aus der zweiten Garnitur steigerte sich in regelrechten Rausch
Tim Nowak durfte sich als Zweiter mit bestleistungsnahen 8.160 Punkten (PB 8.229 aus 2018) zumindest über die EM-Norm freuen. Mehr war bei realistischer Einschätzung einfach nicht drin. Obwohl international gesehen damit kein Blumentopf zu gewinnen ist, bot Nico Beckers aus der zweiten Garnitur hierzulande eine formidable Vorstellung, steigerte sich regelrecht in einen Rausch. Der 28-jährige Wahl-Dormagener, den ich schon halb so jung im Schlepp seines Vaters Det im Trikot der ATG Aachen von Werfertagen im Gebiet Nordrhein kenne, stellte sage und schreibe in sieben Disziplinen „Hausrekorde“ innerhalb des Zehnkampfes auf, darunter gar einen Meeting-Rekord im Kugelstoßen von 16,63m, und per Saldo übertraf er als Gesamt-Dritter bei seinem Zwei-Tage-Werk mit 7.940 Punkten seine bisherige Bestmarke um satte 398 Zähler! Grandios! Womit bewiesen wäre, dass Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen auch zum Ziel führen können. Denn ein verkapptes Nachwuchstalent ist er in seinem Alter nicht mehr, haben manche da schon die beste Zeit hinter sich.
Niklas Kaul fehlt schlechterdings die unerlässliche Grundschnelligkeit
Das wollen wir jetzt dem damals 2019 in Doha mit 21 Jahren jüngsten (Überraschungs-)Weltmeister der Leichtathletik-Geschichte nach seinem Aussetzer von Ratingen nicht gleich unterstellen. Aber festzuhalten bleibt, und das ist nicht meine superschlaue Erkenntnis, dass Sprinter geboren und nicht gemacht werden. Und Niklas Kaul fehlt schlechterdings die Grundschnelligkeit, die nun mal ein Multiplikator für viele Disziplinen ist. 11,42 Sekunden waren es vorgestern zum Auftakt über 100 Meter. Noch Fragen? (Alle Resultate vom Zehn- und Siebenkampf)